Royal Albert Marke
Portraits, Porzellanmanufakturen

Royal Albert

Allein der Klang dieser Marke lässt mich an Großbritannien und königliche Teezeiten denken. »Downton Abbey« lässt grüßen. Oder? Die Assoziation entsteht dabei nicht ganz zu Unrecht, denn die Traditions-Manufaktur hat eine über hundertjährige Geschichte hinter sich. Ihre Tee-Services begeisterten seinerzeit schon die englischen Haushalte, angefangen von der Mittelschicht bis hin zum Königshaus. Für jeden Geschmack hatte »Royal Albert« das passende Muster oder die passende Blume im Sortiment. Es wundert mich daher nicht, dass auch heute noch zahlreiche Sammler auf der ganzen Welt auf der Jagd nach seltenen Dekoren oder besonderen Formen sind.

Und ich bin diesem Jagdfieber ebenfalls erlegen. Tatsächlich könnte ich wetten, dass auch Euch das ein oder andere Muster schon einmal über den Weg gelaufen ist. Doch bevor ich zu den lieb gewonnenen und bekannten Stücken von »Royal Albert« komme, gehen wir zurück zur Gründung des Unternehmens, zurück ins 19. Jahrhundert nach Longton in Staffordshire, England.

Die frühen Jahre

Um genau zu sein, spielen zwei Jahre eine bedeutende Rolle in der Gründungsgeschichte der Firma: 1896 und 1904. Wir starten also kurz vor der Jahrtausendwende, als sich Thomas Wild Senior und sein Sohn Thomas Clarke Wild entschlossen die, zum Verkauf stehenden, »Albert Works« zu erwerben.

Diese kleine Töpferei fertigte bereits seit 1846 Porzellan. Die Wilds hatten also keinen Kalt-Start, sondern setzten auf ein Unternehmen auf, das voll ausgestattet war für die Fertigung von Geschirr. Eingebettet in eine Gegend, die bis heute für ihre Töpfereien und Porzellanmanufakturen bekannt ist. Der Standort Longton bildet dabei, zusammen mit den Ortschaften Hanley, Tunstall, Fenton, Burslem und Stoke-upon-Trent, die Gemeinde »Stoke-on-Trent« und ist die Geburtsstätte zahlreicher Keramiken. Einen Katzensprung von Liverpool und Birmingham entfernt, liegt sie zudem logistisch günstig für einen Vertrieb ins ganze Land.

Thomas Clarke Wild Royal Albert Porträt

Zum Bild: Thomas Clarke Wild / Kannenweise

Der Name »Albert Works« war zum Zeitpunkt der Übernahme durch die Wilds allerdings noch ganz frisch. Erst ein Jahr zuvor wurde das Werk nach Prinz Albert (of Saxe-Coburg and Gotha, Queen Victorias Prince Constort) benannt, der 1861 mit nur 42 Jahren unerwartet gestorben war. Einer anderen Quelle nach, war wohl eher die Geburt von Queen Victorias Enkel Albert Frederick Arthur George im Jahr 1895 der Anlass für die Namensgebung. Das Geburtsjahr des späteren Königs George VI legt das nahe. Der wurde allerdings nach seinem Großvater benannt, womit sich der Kreis wieder schließen würde. In jedem Fall geht der Name auf die Ehren des Königshauses zurück. Thomas Wild behielt ihn bei.

Schließlich wurden in den »Albert Works« bis dato neben Tee-Services hauptsächlich royale Gedenkstücke hergestellt. So wurden 1897 beispielsweise zahlreiche Teller, Dekorationsobjekte, Tee-Gedecke etc. im Rahmen des Diamanten-Jubiläums von Queen Victoria produziert.

Die königliche Legitimation und die Entwicklung der Marke

Zu dieser Zeit lief die Firma auf den Namen »Thomas C. Wild & Co.«. Wild Senior sollte die Jahrtausendwende nicht mehr miterleben. Er starb 1898 und machte damit seinen Sohn zum alleinigen Eigentümer der Firma. Die hergestellten Porzellanstücke wurden bis 1904 schlicht mit einer Krone und/oder seinen Initialen T. C. W. gestempelt.

1904 erhielt die Porzellan-Manufaktur die »Königliche Legitimation« und durfte nun den Zusatz »Royal« mitführen. Mit dieser Veränderung entwickelte sich das Unternehmen immer mehr zu dem, was es später so erfolgreich werden ließ. Die Marke »Royal Albert« wurde eingeführt. Seit 1904 wurden die Erzeugnisse nun mit einer Krone und den Worten »Royal Albert Crown China« gemarkt. Das machte das Porzellan eindeutiger identifizierbar.

Aber nicht nur die Marke machte eine Entwicklung durch. Thomas C. Wild war durchaus an Vergrößerung und Fortschritt interessiert. Ein Meilenstein für Innovationen in der Firma stellte der Kauf der der nahe gelegenen »St. Mary‘s Works« dar. Mit dem Neuerwerb stand zum einen mehr Produktionsfläche zur Verfügung, zum anderen waren die neuen Werke auf die Verzierung von Porzellan spezialisiert. Damit erwarb Wild auch Know-How im Dekorieren.

Das zeigte sich rasch in der Entwicklung von Hunderten über Hunderten Dekor-Variationen. Wenn wir beginnen würden, jedes einzelne Dekor von »Royal Albert« zu betrachten, wäre der Artikel unendlich lang. Es gibt im Netz eine wunderbare Zusammenstellung »sämtlicher« bekannter Muster. Wer das englische Porzellan sammelt, kommt um diese Datenbank kaum herum.

Bodenstempel Bodenmarken Marken Royal Albert Dekore
Die ersten Bodenstempel, sowie eine Auswahl aus den Dekoren der Zeit / Abbildung: Kannenweise

Aus den Gärten Englands auf feines Knochenporzellan

Schon seit den frühen Jahren stellte die Manufaktur hochwertiges »Bone China« her. Die Scherbe war dabei besonders weiß und durchscheinend. Was »Royal Albert« aber seit jeher besonders machte, waren die originalen Blumendekore. Als Inspiration diente das luxuriöse »Crown Derby«-Porzellan. Das traf den viktorianischen Geschmack der Käufer, war jedoch nicht besonders erschwinglich. Wild entschloss sich eine breitere Masse anzusprechen und schaffte es günstiger zu produzieren, ohne Abstriche im Design machen zu müssen.

Auf den Stücken bis in die 1920er Jahre hinein finden sich satte Farben in rot, grün und blau. Angelehnt an die englische Gartenlandschaft blühte es farbenfroh auf Kannen, Tassen und Tellern. Aber auch damals populäre japanische Imari-Muster oder Art Deco-Blüten fanden ihren Weg in das Sortiment. Außerdem wurde gerne mit üppigem Glanzgold verziert.

Um die Varietät dieser Zeit nachzuvollziehen, hilft es bei Gelegenheit die folgenden Dekore nachzuschlagen: Barton, Renown, Heirloom, American Beauty, Aden, Belgrave, Celtic oder Belmont.

»Royal-Albert«-Porzellan gab also für jeden Geschmack etwas her: zarte Streublumen, dezente stilisierte Muster, großflächige Sträuße oder auch einfach nur das pure Knochenporzellan mit Goldrand. Diese Vielfalt verhalf zur Popularität und Expansion.

Um 1910 herum wurde in Neuseeland die erste Übersee-Dependance eröffnet, schnell gefolgt von Exporten nach Australien, Kanada und den USA. Neue Technologien und Prozesse wurden entwickelt. So war »Royal Albert« beispielsweise eine der ersten Fabriken, die gas und elektronisch betriebene Brennöfen einsetzte. In den 1920ern kamen etwa fünfzehn zusätzliche Fabriken ins Portfolio. 

Nachdem bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Wilds Söhne Frederick C. und Thomas E. Wild ihren Vater im Familienunternehmen unterstützten, wurden sie 1917 auch offiziell als Partner eingetragen, was zur Firmierung »Thomas C. Wild & Sons Ltd.« führte.

Wechselnde und wachsende Geschäfte

Royal Albert Bodenmarken Stempel Dekore
Bodenmarken aus der Zeit von 1927 – 1940 / Abbildung: Kannenweise

1932 zog sich Thomas C. Wild schließlich aus dem Geschäft zurück und überließ seinen Söhnen die Geschäftsführung. Wie das so ist, wenn die jüngere Generation übernimmt, nutzten die beiden die Gelegenheit für eine Umstrukturierung. Im Laufe der 1930er Jahre wurden einige der zuvor erworbenen zusätzlichen Werke wieder abgestoßen. Mit dem Erlös aus den Verkäufen starteten die jungen Wilds 1937 die Modernisierung und Erweiterung der Hauptwerke – den »St. Mary’s Works«.

Die Künstlerische Leitung bei »Royal Albert« hielt seit 1934 Harold Holdcroft. Er war beispielsweise auch im Wesentlichen dafür verantwortlich, dass nennenswerte Art Deco Stücke in das Portfolio aufgenommen wurden.

Teekanne Teetassen Art Deco Royal Albert Belmont Embassy Blackthorn
Porzellan Teapot Tea Cup
Ausgewählte Art Deco Stücke aus dem Sortiment von Royal Albert / Abbildung: Kannenweise

Eine große Rolle spielten für das Unternehmen seinerzeit bereits Exporte. Das erlaubte es den Wilds auch während des Zweiten Weltkriegs zu produzieren. Nach Kriegsende wurde im Jahr 1946 die Entscheidung getroffen sogar noch weiter zu wachsen. Das Unternehmen war zu diesem Zeitpunkt eine der ersten britischen Porzellanfirmen, die an der Londoner Börse gehandelt wurde. Die Ausgabe der Aktie wurde am 8. Juli 1947 bereits fünf Minuten nach Öffnung mit dem fünffachen Wert geschlossen.

Neben der Hauptfirma, unter welcher die Marke »Royal Albert« geführt wurde, hielt die Familie noch die drei verbliebenen Werke »Roslyn China Ltd.«,  »Chapmans (Longton) Ltd.« sowie die »Shore & Coggins Ltd.«.

Designs, die überzeugten

Nach inzwischen über fünfzig Jahren Produktionsgeschichte, entwickelten sich aus den Hunderten von Blumen-Dekoren Favoriten, die den Verbrauchern ans Herz gewachsen waren. Eines dieser herausragenden Dekore war »Kentish Rockery«, mit einem großflächig aufgetragenen Gartenmotiv. Passend zu Kent, das über die Landesgrenzen hinaus als der »Garten Englands« bekannt war. Es ist damals, wie heute bei Sammlern heiß begehrt. Eingeführt wurde es in den 1930er Jahren und sollte bis in die 1950er hinein ein Verkaufsschlager bleiben.

Kentish Rockery Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Auch »Lady Carlyle« ist ein Favorit. Ursprünglich wurde es 1944 entworfen und ist eine der wenigen Linien, die bis heute durchgehend produziert wurden. Markant ist die breite, pinkfarbene Bordüre. Im Zentrum steht ein detailreiches Blumenbouquet, in dem sich Rosen, Glockenblumen und Vergissmeinnicht finden. Die goldenen Highlights erinnern an die extravaganten Zeiten des Rokoko. Das Dekor stellte sich als so populär heraus, dass es in den 1990ern sogar eine kleine Schwester erhielt. Die Variation »Lady Ascot« entspricht dem gleichen Design, hat jedoch statt der rosa Farbgebung einen Grund in Türkis erhalten. Es reichte aber nicht, um an den Erfolg der großen Schwester heranzureichen und wurde 2004 wieder eingestellt.

Lady Carlyle Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Die alten Land-Rosen

Zum Bild: Harold Holdcroft / Kannenweise

Übertrumpft wurden diese Selbstläufer durch »Royal Alberts« heutiges Flaggschiff »Old Country Roses«. Die Geschichte der Manufaktur und dieses Designs ist bis heute eng verbunden. Häufig denken Sammler und auch junge Briten bei dem Geschirr der Oma an genau dieses Muster. Das war der Coup schlechthin, der sich flächendeckend in den britischen Haushalten ausbreitete. Gelungen war dieses Meisterstück dem bereits erwähnten Künstlerischen Leiter Harold Holdcroft.

1962 nahm er ein Dekor aus den 1920er Jahren der Manufaktur und überarbeitete es.

»King’s Ransom« wurde getragen von drei Hauptrosen in dunkelrot, rosa und gelb. Dabei waren sie großflächig auf den Stücken angebracht. Obwohl das Dekor auch bis in die 1970er hinein parallel in Produktion belassen wurde, wirkte es nicht ganz so modern wie das neue, darauf basierende, »Old Country Roses«.

Die drei Hauptrosen finden sich hier wieder, sind jedoch dezenter platziert, umgeben von warmem Grün und zarten Rosenknospen. Statt großflächigem zentrierten Auftrag, schlängeln sie sich in einer Girlande um die Ränder von Kannen, Tassen und Tellern. Das Muster verjüngt sich, erreicht aber nicht den Fuß, beziehungsweise die Tellermitte. Durch die freien weißen Flächen und dem 22 Karat Goldrand, wirkt es elegant und ausgewogen.

King's Ransom Royal Albert Old Country Roses
Links die älteren »King Ransom« Rosen. Rechts ein Tee-Gedeck mit den »Old Country Roses« aus dem Jahr 1962 / Abbildung: Kannenweise – Foto: Tracie Hall via flickr under CC BY-SA 2.0
Old Country Roses Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Seit seiner Einführung 1962 entwickelte sich »Old Country Roses« mit über 130 Millionen Teilen zur meistverkauftesten Dekorierung. Bis heute werden weiterhin Stücke in diversen Varianten produziert und um Geschenkserien, Sonderformen etc. erweitert. Ich würde glatt behaupten, dass es bei »Royal Albert« keine weitere Serie gibt, die so breit aufgestellt wurde wie diese. Neben den üblichen Tee-, Kaffee- und Tafel-Services gibt es von Serviettenringen, über Tafelaufsätzen, Weihnachts- und Chintz-Variationen, Figuren, Briefbeschwerern, Fingerhüten, Wasserkesseln, Auflaufformen, Uhren und sogar Telefonen, alles was das Sammlerherz begehrt.

Die veränderte Porzellanlandschaft – Das Ende der Familiengeschäfte

Trotz (oder wegen) des Erfolgs verkauften die Wilds 1964 sämtliche Unternehmen an die »Pearson Gruppe« über deren Tochterfirma »Lawley‘s Ltd.«. Während die Unternehmen verschmolzen, blieben die bekannten Marken jedoch weiterhin erhalten. Thomas Wild (III.) blieb Präsident der »Thomas C. Wild & Sons Ltd.«, während seine Söhne Kenneth und Peter Wild als Aufsichtsräte der neu entstandenen »Allied English Potteries Ltd.« eingesetzt wurden.

Unter der »Pearson Group« wurden weitere Manufakturen verschmolzen. So wurde beispielsweise auch die »Paragon China Ltd.« in die Royal-Albert-Produktion integriert. Viele der bestehenden Paragon-Dekore und Formen wurden dabei übernommen. Zunächst fand sich im Stempel ein Hinweis auf die Ursprungsfirmen, wie Paragon und seit den 1970ern auch Colclough (»Royal Vale«). Später gab es keinen Unterschied mehr zwischen den eingekauften Serien und den ursprünglichen »Royal Albert« Kollektionen mehr.

1966 wurde die „Shore & Coggins Ltd.“ (Teil des Wild-Imperiums) von der »Allied English Potteries Ltd.« aufgelöst, was auch zur Kündigung von Peter Wild führte. Ironischerweise wurde die Schließung durchgeführt, um die Produktion von Wilds »Royal Albert« Porzellan vergrößern zu können.

In 1969 traten schließlich auch Kenneth Wild (als Geschäftsführer der noch immer erhaltenen »T. C. Wild & Sons Ltd.«) und David Wild (der die  »Paragon China Ltd.« geführt hatte) zurück. Damit wurde die Verbindung zur Wild-Familie durchtrennt.

In Folge firmierte das Unternehmen 1970 in »Royal Albert Ltd.« um. Zwei Jahre später, 1972, gingen schließlich alle Töchter in die »Royal Doulton Ltd.« über, die ihrerseits ebenfalls von der »Pearson Group« übernommen wurde. [Verwirrend, ich weiß].

Bildmarken Bodenmarken Stempel Royal Albert Dekore
Abbildung: Kannenweise

Zwischen 1972 und 2002 wurde also nach wie vor tradionelles Knochenporzellan hergestellt. Designer war nun Peter Roberts, der an den überwiegend floralen Dekoren festhielt.

Wir mögen hier keine Veränderungen

Ein »Fehler« jedoch leitete den Rückgang in den Umsätzen ein. In den 1970er Jahren wurden beliebte Muster »Royal Alberts« eingestellt. Dem Rotstift zum Opfer fielen unter anderem »Serena«, »Old English Roses« oder auch die »American Beauty«. Die Sammler des Porzellans waren regelrecht entsetzt, als stattdessen »Royal Doulton« unter der Marke seine »Beswick Beatrix Potter« Figuren platzierte. Recht schnell beugte sich Doulton und führte die Figuren in die eigene Produktion zurück.

Unterdessen stieß 1993 die »Pearson Group« »Royal Doulton« (samt »Royal Albert«) wieder ab. Die Dachfirma machte insgesamt wesentlich weniger Umsatz, als die anderen Töchter der Gruppe. Damit war Doulton zunächst wieder selbständig unterwegs und traf weitere weitreichende Unternehmensentscheidungen. So ließ die Unternehmensspitze die historischen »St. Mary’s Works« 1998 schließen. Die Produktion von »Royal Albert« ging zunächst in die eigenen Werke über (unter anderem nach Indonesien). 2002 wurde schließlich die gesamte Produktion nach Asien verlagert. Neben Indonesien wird »Royal Albert« nun auch in China und Bangladesch gefertigt. In England verloren Hunderte von Menschen ihren Arbeitsplatz und die Marke einen großen Teil ihres Sammlerwerts.

Heute sind Sammler überwiegend an Stücken vor der Auslagerung interessiert. Daher ist das Porzellan aus dieser Zeit wertvoller. Fehlt in der Marke ein Hinweis auf das Herstellungsland, wurde es im Ausland produziert. Die alten Stücke tragen immer den Zusatz »England« oder »Made in England« im Stempel.

Bodenmarken Stempel Bildmarken Dekore Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Die »St. Mary’s Works« wurden unterdessen von einem privaten Investor gekauft, der dort eine kleine Töpferei weiterführt sowie ein Museum aufgebaut hat. So sind die Wurzeln zumindest erhalten geblieben.

St. Mary's Works
Die »St. Mary’s Works« heute / Foto: Steven Birks via Geograph under CC BY-SA 2.0

Der zweite Jahrhundertwechsel – Royal Albert heute

Im Jahr 2002 schloss die Marke noch einmal an die historischen Wurzeln an und startete eine kleine Serie von Gedenkstücken zum Jubiläum von Queen Elizabeth II und zum Tod von Queen Mom.

Commemorativ Collectables Royal Albert
Back To The Roots / Abbildung: Kannenweise

2005 übernahm Wedgwood »Royal Doulton« und somit auch die Marke »Royal Albert«. [Um den Unternehmens-Reigen noch etwas komplizierter zu machen]. »Wedgwood« seinerseits wurde 2009 von KPS Captial Partners übernommen (einer in New York beheimateten Kapitalgesellschaft). Ab diesem Zeitpunkt wurde die Gruppe unter dem Titel »WWRD Holdings Ltd.« bekannt. Das steht für »Waterford Wedgwood Royal Doulton«.

2012 erfolgte ein Relaunch der Marke mit der Einführung modernerer Dekore, die dennoch der Tradition der klassischen floralen Muster treu blieben, wie beispielsweise das verspielte Dekor »New Country Roses«. Mit Kooperationen versuchte das Unternehmen auch ein jüngeres Publikum zu erreichen. So entwickelte Fashion Designerin Zandra Rhodes ein neues Design unter dem Namen »My Favourite Things«. Schmetterlinge und Muster aus ihren Kollektionen standen hier Pate.

Ein weiteres Beispiel ist die Zusammenarbeit mit dem Modell Miranda Kerr und ihrer »Friendship«-Linie. Auch hier spiegeln bunte Schmetterlinge in Kombination mit zarten Pastelltönen und voluminösen Pfingstrosen »Royal Alberts« Tradition zum Floralen wieder.

Die (bisher) letze Übernahme erfolgte schließlich 2015 durch die Fiskars Group, einer finnischen Firma für Konsumgüter, die auch schon Marken beheimatet wie »Royal Copenhagen« oder »Iittala«.

Auf Instagram habe ich in einer Kommentarspalte kürzlich gelesen: »Wieso bringt ihr nicht die alten Serien wieder? Die sind doch viel beliebter […]«. Der Social Media Berater schrieb darunter, dass die aktuelle Serie von Miranda Kerr doch sehr beliebt und der Fortschritt ja auch wichtig sei.

Mir blutet allerdings ein wenig das Herz, wenn ich mich im Online-Shop der Marke umsehe. Viele der Stücke sind »Out of Stock«, also nicht mehr lieferbar. Es gibt insgesamt nur noch wenige Serien zu kaufen. Klar, ich kann noch immer »Old Country Roses« kaufen, aber ich würde mich auch da – wie die anderen Sammler – eher auf Second Hand-Terrain begeben. Stichwort: »Made in England«. Ich liebe die Linie von Miranda Kerr. Gleichzeitig finde ich es traurig durch die Archive der Muster zu klicken, diese einstige Vielfalt und Kreativität zu sehen und zu seufzen, da hiervon nur noch ein kleiner Rest zurückgeblieben ist.

»Royal Albert« in Form gebracht

Und um noch ein wenig in der Vergangenheit zu schwelgen, folgt nun die Übersicht über »Royal Alberts Grundformen«. Wie viele andere englische Hersteller, wechselte das Unternehmen nicht gerade häufig seine Signature-Formen. Das kenne ich von deutschen Herstellern anders, wo es ganze Kataloge gibt, über Form-Designer und deren Weiterentwicklungen. In England blieben die Formen über Jahre erhalten, während unzählige Dekor-Varianten entworfen wurden. Das haben andere auch schön dokumentiert. Zu den Formen der Manufaktur lässt sich jedoch vergleichsweise recht wenig finden. 

Daher habe ich versucht am Beispiel der Teekanne (schließlich ist das hier ein Tee-Blog) und der passenden Tassenform eine Formen-Übersicht zu bauen.

Die ewig in Erinnerung gebliebenen

Zwei Formen haben sich ins kollektive Gedächtnis in Zusammenhang mit »Royal Albert« eingebrannt. Sie wurden seit ihrer Einführung immer wieder neu dekoriert und sind auch heute noch in Produktion. Daher werden sie den meisten anhand der Schattenzeichnungen direkt bekannt vorkommen.

HAMPTON

Die erste – und ältere – der beiden ist die »Hampton«-Form. Wann genau diese Form im Sortiment auftauchte ließ sich für mich nicht ganz genau nachvollziehen. Nach der Durchsicht von gefühlt Tausenden Dekoren, konnte ich welche ausmachen, die zurück bis in die 1930er Jahre zurückreichen. Daher ist anzunehmen, dass die Form seit mindestens dieser Zeit benutzt wird.

Benannt wurde sie nach dem bekannten englischen Erholungsgebiet. Das ist eine britische Tradition. Formen und Dekore tragen sehr häufig Namen von Ortschaften, Mitgliedern des Königshauses, populäre weibliche Vornamen, Blumen oder historischen Figuren und Ereignissen der jeweiligen Periode.

Die bauchige Form der Teekanne bietet viel Platz für große Dekore oder dezente Blümchen gleichermaßen. Eine Besonderheit der Form ist zum einen der große zweiteilige Ohren-Henkel, der bis an die Spitze des Deckels heranreicht und diesen fast zu überragen scheint. Zum anderen wurde der Deckel-Knauf wie eine Blume gestaltet. Dieses Relief bleibt entweder frei, erhält einen Goldrand oder wird hin und wieder auch ganz in Gold gehüllt.

Hampton-Tassen stehen auf einem Fuß, sind im unteren Bereich ausgebeult und haben einen zur Kanne identischen Henkel. Die Besonderheit dieser Form ist allerdings, dass nicht nur Hampton-Tassen kombiniert werden. Besonders häufig findet man in einem Service die Tassen der Form Malvern. Aber auch Countess- oder Avon-Tassen werden hin und wieder hinzugenommen.

Auf den Tellern findet man die gleichen Wellen, wie auf der kurzen Manschette der Teekanne. An dieser Stelle möchte ich meine Liebe zu dieser Teekanne ausdrücken. Ich finde sie herrlich.

Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise
Royal Albert Teapots Teekannen Braemar Friendship Hampton Shape
Hier meine eigenen Beispiele der Hampton-Form ~ Wenn man die alte Kanne (oben) mit der neuen Hampton (unten) vergleicht, wurde sie über die Jahre tatsächlich ein wenig angepasst ~ Insgesamt ist die neue Version ein klein wenig höher und im unteren Bereich runder, bauchiger; es sind aber nur leichte Anpassungen / Foto: Kannenweise

MONTROSE

Montrose ist mit dem Dekor »Old Country Roses« eng verbunden. Es wurde zusammen mit ihm im Jahr 1962 eingeführt. Das bekannteste Dekor der Manufaktur war demnach das allererste, das diese Form schmücken durfte. Vermutlich ist sie uns aus diesem Grund erhalten geblieben.

Der Name geht zurück auf eine Stadt in Angus, Schottland. Und die Benennung der Stadt bezieht sich wahrscheinlich auf Mouth Hrossay, einem Ort an der Mündung des Flusses Esk in der Nähe von Rossie Island. Über die Jahre hatte sich daraus Montrose entwickelt. Ich persönlich finde es sehr schön, dass sich in dem Namen auch das Wort Rose verbirgt. Das macht die Form noch prädestinierter für die  »Old Country Roses«. Wer, weiß – möglich wäre doch, dass das bei der Namensgebung auch eine Rolle gespielt hatte?

Die Form der Teekanne kennzeichnet eine ausgeprägte, gerüschte Manschette am Kannenhals, in welcher der Deckel versinkt. An der Deckelspitze sitzt ein Knauf in Form einer sprießenden Knospe mit Relief. Die Teekanne hat eine recht zarte Tülle und einen dreiteiligen Henkel, der an der Spitze ein Ornament trägt. Im englischsprachigen Raum nennt sich das »Broken Handle« (gebrochener Henkel). Sie wird nach unten breiter und steht auf einem niedrigen Fuß.

Montrose-Tassen greifen die Form der Kanne sehr genau auf. Der Henkel ist identisch, ebenso wie die kleinen Beulen im unteren Bereich der Tasse kurz über dem Fuß. In der Regel ist der Rand vergoldet.

Die Teller wiederrum übernehmen die Manschette. Es gibt eine offene, sowie eine große Zuckerdose mit Deckel und zwei Henkeln – und unzählige weitere Service-Teile.

Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise
Royal Albert Teapots Teekannen Beatrice Val D'Or Montrose Shape Teacup Teetasse Tulpe
Beispiele meiner eigenen Montrose-Kannen in den Dekoren VAL D’OR (unten) und BEATRICE (oben) / Foto: Kannenweise

Formen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Jedoch nicht immer waren es die bisher vorgestellten Formen. Zu Anfangszeiten der Manufaktur hatte die Teekanne die Form einer typischen viktorianischen Kanne. Seitlich betrachtet wirken diese breit, schaut man jedoch von oben oder von vorn darauf, ist sie recht schmal geformt. Auch, wenn die Briten ihre Traditionen pflegen, können sie sich von Veränderungen der Mode nicht ganz fern halten. Daher wandelte sich die Form mit dem Geschmack der Zeit.

Im Folgenden möchte ich die mir bekannten Formen kurz vorstellen.

Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise
Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise
Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise
Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Mid-Century

Die 1950er und 1960er Jahre spielen im Bereich Design eine große Rolle. Vieles hatte sich hier verändert. Die Schnörkel mussten weg. Betrachtet man beispielsweise die Möbel der Zeit, verschwanden hier die großen barocken Schrankwände mit Relief und Intarsien. Stattdessen zogen glatte, runde Tische ein. Triangel-Formen mit abgerundeten Ecken und glatten Oberflächen waren nun modern. Die Schränke waren schlicht, und weniger war insgesamt mehr. Industrie-Design gewann an Bedeutung und die Jugend wollte den »Muff« der vergangenen Zeit nicht mehr sehen.

Das spiegelte sich auch im Porzellan der Zeit wieder. »Royal Albert« führte hier sogenannte SMOOTH-Formen ein, eben ohne diese Schnörkel, mit glatten schlichten Flächen. Keine opulenten Manschetten, keine Ornamente mehr. Diese Formen springen jedem Rock-a-Billy-Freund direkt ins Auge.

Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Aber die Briten, wären keine Briten, wenn sie zuließen, dass klassische Formen ganz verschwinden würden. Zu einer gescheiten Teezeit gehörten Schnörkel nun mal dazu. Neben den zwei neuen SMOOTH-Formen gab es daher auch für die Liebhaber von Traditionellem etwas Neues zu entdecken. Eingeführt wurden eine Hommage an die Zeit VICTORIAS, eine neue Version der beliebten COUNTESS-Form, sowie die wunderbar verschnörkelte GAINSBOROUGH.

Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise
Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Der Übergang in die siebziger Jahre und Übernommene Formen

Neben den eigenen neuen Kannen für die 1970er Jahre, dominierten in dieser Zeit vor allem die Formen, die andere Manufakturen in die Gruppe einbrachten. Mit jedem Erwerb, vergrößerte sich das Formenarchiv von »Royal Albert«. Häufig wurden zunächst Form und Dekore der akquirierten Firmen ohne Veränderungen übernommen. Ab und zu blieb am Ende das Dekor erhalten, oder aber die liefen einfach aus.

Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Ein weiteres Thema der Zeit wurden Serien. »Royal Albert« begann eigens für serielles Porzellan Formen zu entwickeln, die nach Abschluss der Serie aus dem Sortiment wieder verschwanden (und daher kaum im Gedächtnis des Käufers erhalten blieben).

Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts

Die 1980er Jahre würde ich in Sachen Mode gerne ausblenden. Wir alle kennen sicher die schrägen, bunten Kombinationen von Dingen, die eigentlich nie dazu gedacht waren kombiniert zu werden. Neon Farben, Leggings, Netzstrumpfhosen, Spitze, turmhohe Dauerwellen […] Ich muss aufhören, sonst gruselt es mich. In Sachen Form hielt sich »Royal Albert« ein Glück elegant zurück. Zwei neue Formen im Rahmen von Serien kamen und gingen. Hinzu kamen klassische Formen von »Paragon«. Anders als bei einigen anderen Porzellan-Manufakturen finde ich, dass sogar die deutlich 1980er geprägte Kannenform der Serie HORIZONS recht hübsch geraten war.

Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise
Royal Albert Teapot Teekanne Horizons Aurora Tulpen
Eine Kanne aus der Reihe FOR ALL SEASONS kann ich leider nicht mein Eigen nennen, aber aus der HORIZONS-Serie kann ich hier die Version AURORA zeigen / Foto: Kannenweise
Formen Royal Albert Paragon
Abbildung: Kannenweise

In den 1990ern zogen wieder einmal glatte Designs ein, wenig Schnörkel, solide Formen, meist bauchig. Gleichzeitig auch wenig spektakulär oder memorabel.

Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Heute

Angekommen im 21. Jahrhundert, hielt sich »Royal Albert« bisher an seine beiden Klassiker HAMPTON und MONTROSE und fuhr damit ganz gut. So wurde die HAMPTON Teekanne für die sehr schön geratene Serie »100 Years of Royal Albert« neu dekoriert. Dieser Serie widme ich zu gegebener Zeit einmal etwas mehr Zeit und Raum.

Royal Albert Teacups Teetassen Tulpe
Tee-Gedecke aus der Reihe 100 YEARS OF ROYAL ALBERT, hier die 1950er (oben) und die 1920er (unten) / Foto: Kannenweise

Gleichzeitig tauchten immer wieder – im Rahmen von Sonder-Editionen – auch neue und klare Formen auf. So wurde für »Rose Buds« (eine Variation der »Old Country Roses«) eigens eine moderne Kannenform dekoriert. Auch die EVERYDAY FRIENDSHIP-Serie von Miranda Kerr sprach mit einer sehr ähnlichen Form die jungen Käufer an. Nicht nur ist diese Form neutral, hier wurde auch auf Golddekor verzichtet, was das Service spülmaschinenfest macht.

Formen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Allerdings kann ich mir nicht helfen. Ich gehe immer wieder zurück und erfreue mich an der einstigen Vielfalt in der Welt des Porzellans von »Royal Albert«.

Die Tassen

Zum Abschluss noch ein kleiner Bonus in Sachen Formenlehre. Hier kann ich keine Kannen präsentieren, denn die folgenden Tassen wurden häufig unabhängig von einem Service dekoriert. Oft waren Sie Teil einer Sammel-Serie oder auch Einzelstücke.

Tassenformen Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Eine besondere Tassen-Form, die im engeren Sinn eigentlich keine Form ist, sind die Schmetterlings-Tassen. Auch das scheint mir so ein englisches Ding zu sein. Ich habe diese Tassen schon bei verschiedenen Herstellern zu Beginn des 19. Jahrhunderts entdeckt (also ohne Zeitmaschine, sondern im Netz). Dabei wurden Tassen, statt mit einem ordinären Henkel mit Schmetterlingsflügeln verziert.

Diese Sets (Tasse mit Untertasse) haben hohen Sammlerwert. Zum einen sind sie alt, also eine Antiquität und recht selten zu finden. Die Seltenheit hat weniger mit dem Alter zu tun, sondern vielmehr mit der Zerbrechlichkeit der Dinge. Die Flügel wurden – wie alle Henkel – nicht aus einem Guss gefertigt, sondern nachträglich an die Tassen montiert. Da sie aufgrund der Form eher delikat ausfielen und durch die vielen Kanten stoßanfällig waren, gingen viele über die Jahre zu Bruch.

Butterfly Handles Royal Albert
Abbildung: Kannenweise

Heute eine Tasse mit Schmetterlingsflügeln zu finden, grenzt an Glück. Und wer doch einmal eine erspäht, muss dafür tief in die Tasche greifen. In diesem Sinne, fröhliches Schmetterlings-Fangen.

Welche Form auch immer man ins Herz geschlossen hat, »Royal Albert« bleibt ein kleines Symbol für britische Teatime.

»I don’t drink coffee, I take tea, my dear«

Sting, [EnglisHman in New York]

Bis zum nächsten Mal!

Quellen:

Bildnachweise (falls nicht in Bildunterschrift vermerkt):
Beitragsbild / Titelbild von Kannenweise

Web:
Pottery Histories, Stand vom 21.02.2021
Royal Albert Patterns – A Collectors Guide, Stand vom 17.03.2021
Homepage Royal Albert, Stand vom 01.01.2019 / nicht mehr aktiv
Royal Albert Online-Shop, 17.03.2021
Blog „The Teacup Attic“, Artikel „A Study Of Royal Albert Cup Shapes, Part 2“, Stand 22.02.2021
Online-Shop „Collector’s Weekly“, Stand 17.03.2021

Blog „Antique HQ“, Artikel „Royal Albert Tea Sets“, Stand 17.03.2021
Wikipedia, Artikel „Albert von Sachsen-Coburg und Gotha“, Stand 17.03.2021
Wikipedia (Englisch), Artikel „Fiskars Group“, Stand 17.03.2021
History Extra, Artikel „Queen Victoria and Prince Albert: what was their relationship like?“, Stand 17.03.2021

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