Tee-Zubereitung

Tee im »Grandpa-Style« zubereiten

Wenn ich bei meinen Eltern zu Besuch bin, gibt es zum Abendbrot immer einen Tee. Nachdem die Frage ob »grün« oder »schwarz« geklärt wurde, macht sich mein Vater an die Teezubereitung.

Beantwortet ein Gast die Frage mit »schwarz«, so serviert Papa meistens einen Earl Grey oder eine Ceylon- beziehungsweise Assam-Mischung. Bei »grün« bekommt man einen nicht näher definierten grünen Tee. Zurzeit ist es meistens ein loser Sencha aus dem Supermarkt. Manchmal überrascht er mich aber auch mit etwas Ungewöhnlichem, wie einem Grüntee aus Indien. Dabei geht es mir an dieser Stelle überhaupt nicht um die Qualität des Tees.

Ich trinke unglaublich gerne Tee bei meinen Eltern aus ganz anderen Gründen – nämlich, weil ich ihre Gesellschaft genieße. Gerade das Abendbrot weckt in mir das Gefühl von Zuhause, wie kaum etwas anderes. Und ich erzähle auf meinen Seiten davon, weil ich meinen Vater auch gerne dabei beobachte, wie er für den Besuch losen Tee in Papier-Filter portioniert und nur für sich selbst die Blätter einfach so ins Teeglas füllt.

Für die Filter ist dann jeder individuell verantwortlich. Mein Vater übergießt seine Blätter mit Teewasser und genießt den Tee geräuschvoll die gesamte Zeit des Abendbrots über. Manchmal gießt er auch noch heißes Wasser nach.

Lange Zeit hatte ich keinen Namen für diese Zubereitungsweise. Heute hat sich die Teewelt auf einen einheitlichen Begriff geeinigt: »Grandpa-Style«. Dass mein Vater dieses Jahr 80 wird, lässt mich in Bezug auf den Titel schmunzeln. Und dass, diese sehr ursprüngliche und einfache Art und Weise einen Tee aufzugießen nun eine Art Trend geworden ist, haut mich irgendwie um.

Inhaltsverzeichnis ~ Shortcuts

Woher kommt diese Art der Zubereitung überhaupt?

Eigentlich lassen sich Fragen zum Ursprung von Dingen in Zusammenhang mit Tee meistens mit »China« beantworten. Bei der Zubereitung ist dies zwar nicht immer der Fall [siehe Traditionen wie Afternoon Tea in England oder Matcha in Japan], aber in diesem Fall muss man wohl trotzdem mit China antworten.

Wenn man so möchte (und der chinesischen Legende) glaubt, wurde auf diese Weise sogar die allererste Tasse Tee überhaupt zubereitet: Blatt ins Wasser und Voilà! In China vor fünftausend Jahren hat aber niemand »Grandpa« dazu gesagt. Der Begriff ist paradoxer Weise noch recht jung, während die Art und Weise bei den meisten Teetrinkern in China seit Jahr und Tag täglich zum Einsatz kommt.

tee tea brewing grandpa stalye green tea grüner tee
Foto: Sergey Norkov via unsplash

Aber zelebriert nicht jeder in China »Gong fu cha«? Nein, natürlich nicht; und das ist eigentlich verständlich. Das zeremonielle Teetrinken ist eine wunderbare Art Tee zu entdecken und sich in Achtsamkeit zu üben. Ich bin auch überzeugt, dass es sich für jeden lohnt dieses stille Ritual auszuprobieren. Jedoch ist dies mit all den minuziösen und bedeutsamen Schritten kaum in unseren geschäftigen Alltag zu integrieren.

In China wird überall und jeden Tag Tee getrunken: im Büro, auf dem Feld, in der Werkstatt, in Meetings, beim Kochen, im Café mit Freunden und so weiter. Und da setzt sich kaum jemand hin, packt seine kleine Tonkanne samt Zubehör aus und schlürft andächtig aus Miniaturtassen.

Was aber hat nun der Opa damit zu tun?

Den Begriff hat der weitläufigen Meinung nach Dr. Lawrence Zhang geprägt. Einigen wird er unter seinem Blog-Profilnamen »Marshaln« bekannt sein. Er ist – wie viele von uns – ein Tee-Enthusiast, der sich über Jahre einen tiefen Einblick in Tee und seine Kultur erarbeitet hat. Leider konnte ich den Original-Blog nicht mehr finden. Er scheint inzwischen offline zu sein.

Jedenfalls hat, den in Hong Kong lebenden, Zhang sein Großvater inspiriert. Das ist nämlich exakt die Art und Weise, wie sein Opa stets Tee getrunken hat. Und er bestätigt, dass dies eben die Art und Weise ist, die in den meisten Teehäusern Chinas praktiziert wird.

Die Bezeichnung war griffig genug, als dass sie allgemein übernommen wurde. Damit kann auch ich nun genau beschreiben, wie mein Vater [der auch Großvater ist] seinen Tee trinkt.

tee tea teacup teetasse hände hands black tea grandpa style brewing
Foto: Andriyko Podilnyk via unsplash

Wie bereitet man Tee auf diese Weise zu? Und kann man etwas falsch machen?

Kurzum – man kann nichts falsch machen, denn das ist die einfachste, natürlichste und intuitivste Art einen Tee aufzugießen. Alles, was man braucht ist Tee, ein Gefäß und heißes Wasser. Es ist also beispielsweise perfekt, wenn man unterwegs ist und keinen Zugriff auf seine Tee-Utensilien zu Hause hat.

Greift also zu einem großen hitze-resistenten Glas oder einer Borosilikatglas-Teetasse, gebt etwas Teeblätter hinein und fügt siedendes Wasser hinzu. Nun heißt es einfach ein wenig warten, bis man sich die Zunge nicht mehr verbrennt und dann immer weiter angießen und genießen, solange es schmeckt und das Blatt noch etwas zu geben hat. So einfach ist das.

Tee tea white tea silver tips grandpa style brewing
Foto: n0r under CC BY 2.0

Man braucht sich keine Gedanken um die richtige Wassertemperatur, die genau abgewogene Teemenge oder eine bestimmte Ziehzeit zu machen. Und doch sollten ein paar Punkte beachtet werden, damit die Freude vom Opa auf euch überschwappt.

Das »perfekte« Gefäß

Vielleicht kam beim Lesen schon die Frage auf, warum ein Glas verwendet wird. Selbstverständlich funktioniert »Grandpa-Brewing« mit jeglichem Gefäß: Schale, Thermos, Becher, Teetasse, Flasche – oder woraus auch immer man seinen Tee trinken möchte.

Das Glas hat allerdings ein paar Vorzüge. Zum einen kann man den Teeblättern dabei zusehen, wie sie langsam zu Boden sinken und sich entfalten. Für mich persönlich ist das schon Grund genug, denn ich liebe es diesem Zauber beizuwohnen; zuzusehen, wie ein gerolltes Blatt sich langsam aufdreht, sich streckt und all seinen Geschmack sichtbar dem Wasser abgibt, das mit jeder Sekunde seine Farbe wechselt.

Zum anderen kühlt der Tee in einem Glas deutlich schneller herunter als beispielsweise in einer Keramik-Tasse, so dass die Trinktemperatur schneller erreicht ist. Die meisten bevorzugen dabei auch ein Behältnis mit größerem Volumen als die handelsübliche Teetasse von 200 Millilitern. Ich gehöre auch dazu. Warum es anderen so geht, kann ich nicht sagen, aber für mich hat ein Glas beziehungsweise eine Glastasse mit einer Füllmenge von 400 Millilitern bis 600 Millilitern die perfekte Größe. Der Grund dafür ist simpel. Ich muss nicht permanent Wasser nachgießen.

Übrigens habe ich das Thema zum Anlass genommen mir eine Tasse zu besorgen, die ein eingearbeitetes Sieb am Trinkrand hat, also keines, das sich herausnehmen lässt, sondern tatsächlich ein Trinksieb. Dieses Glas wurde – nachdem »Grandpa« sich zum Trend entwickelt hat – eigens dafür konzipiert. In einigen chinesischen Tee-Shops findet man ähnliche Exemplare. Meines ist aus Kanada und leider nicht ganz günstig. Aber ich muss sagen: »I like it!« Da ich die Teeblätter an den Lippen als störend empfinde, ist das die perfekte Lösung für mich. Zwingend notwendig ist es natürlich nicht.

Das Teeglas mit eingebautem Glasfilter „The Wall“. Wer sich dafür interessiert, kann es zum Beispiel hier finden. Es gibt das Glas sogar als Linkshänder-Variante. │ Foto: Kannenweise

Welche Teesorte?

Die Blätter werden nicht entnommen, sondern bleiben die gesamte Zeit über im Glas. Grundsätzlich sagt daher bereits die Logik, dass sich ein Blatt-Tee mit großen Blättern am besten für diese Zubereitung eignet, denn ich glaube, dass es kaum jemandem Spaß macht auf kleinen Blattresten herumzukauen oder Blattstiele zwischen den Zähnen herauszupulen.

Damit fallen in dem Bereich »echter Tee« alle Broken-Tees oder Fannings raus. Einen grünen Kukicha würde ich so auch nicht unbedingt genießen können, denn die Stiele sinken nicht wie die Blätter zu Boden, sondern treiben an der Oberfläche und damit direkt am Trinkrand. Überhaupt hatte ich bisher an japanischen Grüntees keine Freude mit dieser Zubereitungsart. Ich bleibe in dem Fall dabei, dass für hochwertige Tees aus Japan die Wassertemperatur und richtige Blatt-Menge einfach wichtig ist.

Bei teeähnlichen Aufgüssen, wie Rooibos oder Früchtetees, würde ich ebenfalls darauf verzichten, denn hier sinkt überhaupt nichts herab. Blüten oder Rinden von Zitrusfrüchten treiben einfach oben und verderben die Freude am Trinken aus dem Glas. In diesen Fällen bin ich mit einem herausnehmbaren Edelstahlsieb einfach glücklicher.

Aber chinesische, großblättrige grüne Tees, haben mir als »Opa« hervorragend geschmeckt, ebenso weiße Tees oder einige Oolong. In Internet-Foren wird die Frage nach dem perfekten Tee für »Grandpa-Brewing« häufiger gestellt, und es gibt genauso viele Antworten wie User. Einer schreibt, dass er grüne Tees so überhaupt nicht genießen kann, weil sie bitter werden. Einem anderen schmecken Oolong auf diese Weise nicht mehr. Wenn man Regeln aufstellen möchte, würde ich sagen: große Blätter, keine Zusätze und eine Sorte, die keine bis wenig Bitterstoffe entwickelt – die Sorte ist dabei mehr oder weniger egal.

Ich glaube jedoch, dass es im Grunde in diesem Bereich keine konkreten Vorgaben gibt. Probiert einfach ein paar Tees, die ihr schon kennt, im »Grandpa-Style« aus und schaut, was euch zusagt.

Menge und Temperatur

Für die richtige Tee-Menge gilt das gleiche, wie für den »richtigen« Tee. Tendenziell würde ich jedoch wesentlich weniger Blätter nutzen, als bei der üblichen Zubereitung unter Berücksichtigung der Wasser-Temperatur und Ziehzeit.

Ein Gramm Tee reicht meistens schon aus. │ Foto: Kannenweise

Dadurch, dass die Blätter im Glas verbleiben, und mehrfach mit heißem Wasser übergossen werden, besteht die Gefahr, dass beispielsweise ein grüner oder schwarzer Tee tatsächlich zu stark werden könnte. Eine geringere Menge verringert das Risiko.

Wer sonst Papier-Teefilter nutzt, dem wird der Unterschied am stärksten auffallen. Das Filterpapier schränkt nämlich die Entfaltung des Blattes ein und verhindert, dass die Aromen sich schnell im Wasser lösen. Daher findet man in Teebeuteln stets Bruch, der sich viel schneller aufgießen lässt, als lose Blätter es im Beutel könnten.

Tee im »Grandpa-Style« zuzubereiten ist also extrem ergiebig. Wenn der Vorrat sich dem Ende neigt, kann man ihn so ein wenig strecken.

Was das Wasser anbetrifft, sollten die üblichen Regeln komplett ignoriert werden. Also aufkochen lassen und rein damit. Wasser, das zu stark heruntergekühlt wurde, schafft es womöglich nicht bei der geringen Blattmenge genug Aroma aus den Blättern zu ziehen. Man darf nicht vergessen, dass für gewöhnlich bei geringerer Temperatur wesentlich mehr Teeblätter für ein ähnliches Aroma genommen werden.

Wasser auffüllen

Ist das Glas bis zur Hälfte oder maximal einem Drittel ausgetrunken, kann man über das Nachfüllen nachdenken. Warum mindestens ein Drittel – oder besser noch die Hälfte – drin lassen? Der frische Aufguss kann auf diese Weise den vorhandenen Geschmack aus dem ersten Ausguss ziehen und sich damit vermischen. Dieses Drittel hat ja bisher am längsten gezogen. Das frische Wasser wird aus den bereits aufgebrühten Blättern immer weniger ziehen können. Ist aber noch etwas vom vorherigen Aufguss in der Tasse, schmeckt der Tee noch.

Die Blätter sollten dabei nicht umgerührt werden. Einfach das Wasser am Rand hinzufügen, so dass sie ein bisschen aufgeschüttelt werden und warten bis wieder alles zu Boden sinkt.

Je nach gesamter Trinkzeit und Geschmack, kann man nach einer Weile auch ganz frische Teeblätter hinzufügen oder einen Deckel verwenden, um den Tee zu intensivieren. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass Tee Koffein enthält. Für Menschen mit einer stärkeren Koffein-Sensibilität sollte die Prozedur rechtzeitig am Tag beendet sein, wenn man nicht vorhat die Nacht über herumzuspuken.

Und mehr Geheimnis gibt es nicht bei dieser Art der Zubereitung. Wer unterwegs ist oder einfach länger im Homeoffice sitzt, wird die Einfachheit der Methode sicher schätzen. Ich jedenfalls habe meine Freude daran und greife inzwischen häufiger zum Tee im »Grandpa-Style« [und das als selbsternannte Teekannen-Lady].

Daher wünsche ich auch euch viel Freude beim Probieren und Entdecken!

Tee Tasse Becher Fill Me Up With Tea
Foto: Mel Poole via unsplash

Quellen:

Bildnachweise (falls nicht in Bildunterschrift vermerkt):
Beitragsbild: Kannenweise

Web:
Blog, Artikel What is Grandpa-Style, Angelina Kurganska, 2018, Stand 05.02.2021
Teelexikon, Beitrag Grandpa-Style, Stand 05.02.2021