Heilige Kanne, Villeroy & Boch

Villeroy & Bochs »Cellini«

[…] oder vom Drang zum Sammeln und einem streitlustigen Florentiner

Mit dem Porzellan meiner Oma und den Schmetterlingen von »Royal Albert« waren Grundsteine für ein neues Sammelfeld gesetzt. »Villeroy & Boch« hatte anschließend dafür gesorgt, dass aus den zwei Steinen bald eine Wand entstehen sollte. [Der Bildhauer Benvenuto Cellini hätte sich über dieses Wortspiel sicher gefreut.]

Schon als Kind war ich eine Sammlerin, obwohl meine Interessen stets wechselten oder wuchsen. Eine meiner ersten Sammlungen waren kleine Püppchen (Pupsiki nannte man sie in der Sowjetunion).

Pupsik Pupsic Püppchen
So sahen die kleinen Püppchen aus. Ich hatte eine ganze Kiste voll, die unter einem großen Tisch ihren festen Platz hatte. │ Foto Dmitry Yakovlev gefunden auf unsplash

Später wurden daraus Informationen zu Schauspielern und Filmen. Mein Taschengeld bekam der Kiosk um die Ecke. Jeden Monat wartete ich auf die neue Ausgabe der Zeitschrift »Cinema«. Ich kaufte auch alte Ausgaben und durchforstete diese nach meinen Lieblingsdarstellern, schnitt sie aus und legte mehrere Sammelalben an. Auf diese Weise entstanden Ordner über Ordner voller Schnipsel, Postern und Collagen. Und in meinem Kopf öffneten sich neue Welten; auch hier wurde gesammelt, nämlich Hintergrundwissen und Ideen.

Von Filmen ging es zu Büchern – und einem unglaublichen Drang zur Vollständigkeit. Wenn mir ein Autor besonders gefiel, folgte ich meinem Bedürfnis alle veröffentlichten Bücher zu lesen (und zu besitzen). Gab es eine Reihe oder eine Trilogie, musste ich alle Teile kaufen. Bald hatte ich so eine kleine Bibliothek aufgebaut.

Die Ausstattung meiner ersten Wohnung

Als ich meine eigene Wohnung bezog, waren Regale besonders wichtig. Sie beheimateten meine Bücher und inzwischen auch meine Musik- und Filmsammlungen. [Natürlich sammelte ich auch Musik]. Das mache ich übrigens auch heute noch. Ich liebe es nach CDs und Filmen in Läden suchen und in Buchhandlungen zu stöbern. Ich verlasse solche Geschäfte selten, ohne etwas Neues zu entdecken. In einer fremden Stadt, sind das die ersten Anlaufstellen. Film, Musik und Literatur werden für immer einen festen Platz in meinem Leben haben.

Und nun hatte es mir eben auch noch Porzellan angetan, insbesondere die Teekannen. Das rührt natürlich daher, dass ich Tee liebe. Es wäre irgendwie verrückt Kaffeekannen zu sammeln, oder? Tee und Teekannen wurden sozusagen zu einem »Full Circle«.

Am liebsten trinke ich heute eine Kanne Tee beim entspannten Frühstück, einem Filmmarathon oder einem guten Buch. Neuerdings passiert es auch (mit einer Thermoskanne) in einem Park auf der heimischen Anhöhe, während mein Blick über die Stadt schweift und in meinen Ohren sich Musik entfaltet. Für mich sind das alles Bestandteile für schöne Tage und Entschleunigung.

Teekannen Porzellan
Kann man eigentlich zu viele Kannen haben, wenn sie einen glücklich machen? │Foto: Kannenweise

Das warmweiße Porzellan von »Villeroy & Boch«

Nachdem ich vor vielen Jahren in meine leere Wohnung einzog, streifte ich durch das nahegelegene Möbelzentrum. In der Haushaltsabteilung verweilte ich besonders lange, dort genauer gesagt beim Porzellan. Besonders angetan hatte es mir zu der Zeit »Villeroy & Boch«. Aktuell war gerade das Dekor »Twist Alea« modern. Das Geschirr mit den farbenfrohen Quadraten war überall in Displays präsentiert. Mich aber zog es zu der schlichten »Anmut«-Reihe in den Regalen dahinter.

Anmutig war sie in der Tat. Zu dieser Serie mache ich zu gegebener Zeit einen separaten Beitrag. Damals jedenfalls, schlich ich immer wieder um das warmweiße Porzellan herum, das keinerlei Dekor trug. Ich hob es an und stelle es wieder ab. Mein Gefühl sagte mir damals – ohne es besser zu wissen – dass ich etwas von Qualität in den Händen hielt. Liebend gerne hätte ich es gekauft. Doch mein Anfängergehalt gab das seinerzeit nicht her.

Stattdessen trug ich ein günstiges Porzellan an die Kasse, mit dem ich recht schnell unglücklich wurde. Es war sozusagen das Gegenteil von Qualität (und kostete für sechs Personen genauso viel wie eine einzige Teekanne von »Villeroy & Boch«). Im Design war es so modisches Zeug mit viereckigen Tellern, deren Ecken beim Spülen immer angeschlagen wurden. Das lag weniger an meiner Ungeschicklichkeit, als an der Übergröße der Speiseteller und der fehlenden Qualität des Porzellans. Bald gab es kaum noch Teller ohne Chips. Dazu hatte ich verrückterweise zwar Kaffeetassen, aber keine passende Kanne gekauft. Es war ein seltsames Sammelsurium.

Alle Wege führten nach Rom

Als ich beschloss mir mit Teekannen ein neues Sammelgebiet zu erschließen, ging meine Suche als erstes zu »Villeroy & Boch« – vielleicht aus ebendieser Nostalgie. Ich vermute, dass tief in meiner Erinnerung abgespeichert war, wie sehr mich das Porzellan einst in seinen Bann gezogen und wie schön es sich in meinen Händen angefühlt hatte.

Schließlich blicken wir hier erneut auf eine Porzellanmanufaktur mit Tradition und Erfahrung, die auf einem Fundament aus dem Jahr 1748 fußt. Es ist eine deutsch-französische Geschichte von Fliesen, Toilettenschüsseln und feiner Tischkultur, die in einem der kommenden Beiträge näher beleuchtet wird.

Im Möbelzentrum stand ich nun erneut vor den dekorierten Regalen. Die aktuell verfügbaren Serien sprachen mich allerdings nur bedingt an. Natürlich gab es noch immer die »Anmut«, aber die ließ ich zunächst (bewusst) liegen, denn ich hatte diese Form zwischenzeitlich in einem Trödelladen entdeckt. Sie verfolgte mich auch noch eine Weile. Ich wusste, dass daran kein Weg vorbei führte. Gleichzeitig musste ich mein Budget im Auge behalten und hatte mir schon eine Gedankennotiz gemacht häufiger auf Flohmärkten zu stöbern. Anmutig wurde es also erst später.

Villeroy Boch Keramikmuseum Mettlach
Eine Aufnahme aus dem »Keramik-Museum« in »Villeroy & Bochs« Hauptsitz Mettlach ~ Wer genau hinsieht, kann unten links im Bild die Kaffeekanne aus dem »Anmut«-Service erkennen. │Foto: Dguendel via Wikimedia Commons under CC BY 3.0

Meine Wahl fiel schließlich dennoch auf etwas Klassisches und Weißes mit dem Namen »Cellini«. Damit blieb ich zudem noch meiner Liebe zum Relief treu. Schon bei Omas Porzellan habe ich insbesondere das Relief gemocht. »Villeroy & Boch« selbst beschreibt die Kollektion als »Hommage an die Architektur der Renaissance«. 

Renaissance in Kannenform

Nun, gut. Die Architektur der Renaissance wird hauptsächlich zwischen das frühe 15. Jahrhundert und das späte 16. Jahrhundert verortet. Sie baut auf Elemente der Römischen Antike auf und perfektioniert sie in Symmetrie und Proportion. Dabei folgen Säulen, Pilaster und Lisenen festen Regeln – daher auch die Symmetrie. Das Wort Lisenen musste ich übrigens nachschlagen. Es sind vertikale, hervortretende Elemente der Wand (wenn man so will, die vertikale Version von Gesimsen). Bögen, Kuppeln und Nischen waren ebenfalls typisch.

Renaissance Element Kuppeldach
Architektonische Merkmale an einer Kuppel │ Foto: Ehud Neuhaus gefunden auf unsplash
Kuppel Florenz Renaissance
Die St. Peter Kuppel im Vatikan – ein klassisches Beispiel für Architektur aus dem 16. Jahrhundert Roms │ Foto: Bgabel auf wikimedia commons under CC BY-SA 3.0
Florenz Kuppel Renaissance Architektur
Piazza del Duomo, Florenz │ Foto: Edoardo Busti, gefunden auf unsplash

Schaut man sich mit diesem Wissen das Relief der Kanne genauer an, ist exakt das zu erkennen. Stilisierte Säulen umlaufen den Kannenkörper, der mich als Ganzes ebenfalls an eine Säule erinnert. Der Deckel ist umgeben von einer Manschette, die ihrerseits mit Bögen verziert wurde. Sie gleichen Fenstern wie sie auf dem Foto oben im rechten Bereich zu sehen sind.

Am Knauf ist noch eine Blüte zu entdecken, deren Blätter auch im Henkel und unterhalb der Tülle aufgegriffen wurden. Es ist also eine Mischung aus Motiven der Architektur und floralen Elementen. Diese sind für den Schmuck von Porzellan ihrerseits sehr typisch. Durch dieses flächendeckende Relief benötigt die Kanne meiner Meinung nach kein weiteres Dekor.

Teekanne Cellini Villeroy & Boch Relief Manschette
Teekanne Cellini Villeroy & Boch Tülle Schnabel
Teekanne Cellini Villeroy & Boch Deckel
Teekanne Cellini Villeroy & Boch Henkel Griff
Teekanne Cellini Villeroy & Boch
Alle Fotos: Kannenweise

Ich mag die Teekanne sehr. Sie gehört zu den häufig genutzten Kannen bei mir. Neben der schönen Optik, ist sie auch noch leicht zu reinigen. Die Öffnung ist groß genug, um mit der ganzen Hand hineinzugreifen. Dazu tropft sie kaum und liegt gut in der Hand. Circa 1,3 Liter passen hinein, und selbst gefüllt ist sie nicht allzu schwer.

Vitro-Porzellan versus Premium-Porzellan

Gefertigt wurde die Teekanne aus »Vitro-Porzellan« oder auch »Premium Porzellan«. Das hängt ganz davon ab in welchem Jahr die Kanne produziert wurde. Bei der ersten Variante handelt es sich um eine Bezeichnung, die exklusiv von »Villeroy & Boch« gebraucht wurde. Bis 2011 war das die Qualität, die für die meisten Serien der Manufaktur verwendet wurde. Inzwischen wurde sie von der allgemein gebräuchlichen Bezeichnung »Premium Porzellan« abgelöst.

Das »Premium-Porzellan« (oder auch »Fine China« genannt), ist nicht zu verwechseln mit dem »Premium Bone China«, was die höchste Qualitätsstufe ist und auch hin und wieder synonym mit »Fine Bone China« verwendet wird. Dieses ist nämlich hauchdünnes, mit Knochen angereichertes Porzellan, dessen Herstellung recht aufwendig ist und entsprechend den hohen Preis rechtfertigt. Das Hauptmerkmal ist die Opazität, also die Durchsichtigkeit, wenn man das Stück gegen eine Lichtquelle hält.

Gleichzeitig hat »Bone China« gegenüber dem »Vitro« oder neu »Premium« Porzellan den Nachteil brüchiger zu sein. Denn die beiden anderen Porzellane sind recht stoßfest, dafür jedoch weniger opak.

Aber auch zwischen »Vitro« und »Premium« gibt es Unterschiede. Der Hersteller selbst beschreibt »Premium-Porzellan« als Nachfolger vom »Vitro-Porzellan«. Es war also eine Weiterentwicklung. Mit dem bloßen Auge lassen sich bereits Unterschiede erkennen. Das ältere »Vitro-Porzellan« hat ein wärmeres, gedeckteres Weiß. Das neuere »Premium-Porzellan« dagegen ist reinweiß und erinnert tatsächlich eher an »Bone China«. Damit ist es heller und hat auch einen kräftigeren Glanz.

Meine »Cellini«-Teekanne habe ich neu nach 2011 gekauft, demnach ist sie auch mit »Premium Porzellan« gekennzeichnet. Sie glänzt in reinem Weiß – der Farbe, die Porzellan nach dem Brennen, naturgemäß annimmt.

Der Namens-Pate Benvenuto Cellini

Wieso heißt die Form der Teekanne eigentlich »Cellini«? Sie lehnt sich an einen bekannten Vertreter der Renaissance an, dem italienischen Goldschmied und Bildhauer Benvenuto Cellini. Dieser stand Pate für den Namen dieses Services.

Benvenuto Cellini Portrait
Der junge Benvenuto Cellini. In der Hand hält er eine von ihm geprägte Münze, womit er einen wesentlichen Teil seines Unterhalts bestritt. Im Hintergrund ist eine Skulptur zu sehen. │ Bild: Public Domain via Wiki Commons

Cellini war ein interessanter Mensch, dessen Leben von ihm selbst schriftlich festgehalten wurde. Letztendlich ist sein anhaltender Ruhm dieser Autobiographie mehr zu verdanken, als seiner künstlerischen Arbeit, von der leider viele Stücke verloren gingen. Seine Memoiren gingen 1728 in Druck und wurden anschließend ins Englische (1771), Deutsche (1796) und Französische (1822) übersetzt. Es war ein Bestseller.

Einen literarischen Anspruch hatte Cellini dabei offenbar nicht. Denn seine Schrift verfasste er in einer alltäglichen Sprache. Damit ist sie ein einzigartiges Zeugnis seiner Zeit (trotz der darin enthaltenen, offensichtlichen Übertreibungen zu seiner Person). Ihr werdet gleich wissen, wovon ich rede …

Inzwischen gibt es mehrere Opern, einen Film und auch diverse Bücher zu seiner Vita inklusive zahlreicher Veröffentlichungen seiner Memoiren (unter anderem auch übersetzt von Johann Wolfgang von Goethe). Das mag neben seinem unbestritten, außergewöhnlichen künstlerischen Schaffen, auch an seiner Streitlust und der Rastlosigkeit liegen, mit der er durchs Leben schritt.

Cellini Autobiographie Buchcover
Eine Collage aus Buch-Covern von den zahlreichen Ausgaben seiner Biographie, woran allein schon die Faszination für Cellini ablesbar ist. Die abgebildeten Titel sind dabei nur eine kleine Auswahl. Die Rechte an den Covern halten selbstverständlich die entsprechenden Verlage.

Cellinis frühe Rebellion

Mit vierzehn Jahren begab sich Cellini in die Lehre zum Goldschmied – gegen den Willen seines Vaters, der ihn lieber als Musiker gesehen hätte. Eine Schlägerei führte zu einer halbjährigen Vertreibung aus der Heimatstadt Florenz. Er nutzte diese Zeit, um bei verschiedenen Meistern zu lernen. Kaum zurück, zog es ihn auch schon wieder weg nach Bologna. Doch auch hier hielt es ihn nicht lange.

Die zweite Rückkehr nach Florenz endete mit seinem erneuten Auszug, nach einem Streit mit dem Bruder. Anschließend wanderte er recht planlos über Luca nach Pisa. Dort arbeitete er unter einem neuen Meister an »[…] schönen und bedeutenden Dingen […] in Gold und Silber«. Anschließend kehrte er wieder zu seinem Vater zurück, dem zuliebe er das Musizieren beibehalten hatte. Allerdings verabscheute er es inzwischen Musik zu machen. Das wiederum führte letztlich zu einem Zerwürfnis zwischen ihm und seinem Vater und einer erneuten Flucht aus der Heimatstadt.

Florenz Cellinis Heimatstadt
Abendlicher Blick über Florenz │ Foto: liakada-web via flickr under CC BY 2.0

Dieses Mal verbrachte er zwei Jahre in Rom. Cellinis Vater schaffte es jedoch seinen Sohn erneut nach Florenz zurückzuholen und ihn weiterhin zum Musizieren zu bewegen. Herrschte an dieser Front nun Ruhe, begann er sich an anderer Stelle mit Schlägereien Luft zu machen. In Folge musste er aus Angst um sein Leben schließlich erneut aus Florenz fliehen (dieses Mal verkleidet als Mönch).

Cellinis Rom

In Rom begann er die Arbeit an einem großen Wasserkessel in der Werkstatt von Giovanpiero della Tacca, der für den Bischof von Salamanca entworfen wurde. Ein Traum hielt ihn von der zeitigen Fertigstellung ab. Richtig gelesen, ein Traum! Sein Vater war ihm darin flehend und drohend erschienen. Das reichte aus, um ihn wieder zum Musizieren zu bringen.

Cellini trat daraufhin als Musiker in den Dienst des Papstes und vernachlässigte seinen Auftrag am Wasserkessel. Die Terminverschiebung wollte der Bischof nicht akzeptieren und weigerte sich das Werk nach der Fertigstellung vollständig zu bezahlen. Cellini schaffte es den Wasserkessel zu stehlen. Und als die Gefolgschaft des Bischofs das Werk weider an sich nehmen wollte, verteidigte er die Herausgabe mit Waffengewalt. Das machte ihn in Rom bekannt und beflügelte die Auftragslage, getreu dem Motto: »Es gibt keine schlechte Publicity.« Dadurch war er in der Lage eine eigene Werkstatt zu eröffnen. 

1525 zwang ihn die Pest allerdings zu einer Flucht aufs Land. Dort blieb er nicht untätig und kaufte den Bauern ihre antiken Funde günstig ab (Medaillen, Edelsteine etc., die bei der Feldarbeit zutage traten). Diese verkaufte er nach seiner Rückkehr in Rom gewinnbringend. Zwei Jahre später griff er – als treuer Anhänger der Medici – zu den Waffen. Im Auftrag des Papstes zerstörte er auch Kunstwerke, damit diese nicht in die Hände des Feindes fielen. Geschäftig wie Cellini jedoch war, unterschlug er einige dieser Kunstwerke.

Nach dem Ende der römischen Belagerung, war es einmal mehr Zeit nach Florenz zurückzukehren (mit einem Zwischenaufenthalt in Mantua). Die Pest hatte vor Cellinis Familie keinen Halt gemacht. Ihm blieben nur noch ein Bruder und eine Schwester. Den Geschwistern zuliebe verweilte er einige Zeit in Florenz und verdiente mit dem Fassen von Juwelen Geld. In der Zwischenzeit stieg bereits sein Ansehen durch die hervorragende Arbeit an Medaillen.

Fälschungen und Streitigkeiten

Zurück in Rom eröffnete er bald erneut eine eigene Werkstatt. Auch sein Bruder befand sich zeitgleich als Soldat in der Stadt, wurde jedoch in einem Handgemenge auf offener Straße erschossen. Cellini rächte sich am Mörder seines Bruders mit einem Mord seinerseits.

Das Glück blieb allerdings nicht auf seiner Seite. Einbrecher stahlen sowohl Schmuckstücke als auch Prägeinstrumente aus seiner Werkstatt. Später kamen Fälschungen mit seinem Siegel auf den Markt, was ihn als Fälscher in Verruf brachte.

Der Papst höchstpersönlich nahm ihn jedoch in Schutz. Später wurden die Täter gefasst und Leo X. sah sich in seinem Handeln bestätigt. Er erhob Cellini in die Stellung des päpstlichen Leibtrabanten. Bedauerlicher Weise stieg der soziale Aufstieg Cellini zu Kopf.

Es folgten Streitigkeiten und Überheblichkeiten; die Feinde häuften sich. Auf offener Straße warf er einem Gegner einen Stein an den Kopf, was auch im 16. Jahrhundert in Rom eine Straftat war. Einmal mehr musste er fliehen – dieses Mal nach Neapel. Er kehrte jedoch bald heimlich nach Rom zurück und wartete darauf, dass das Opfer wieder gesund wurde.

Papst Leo X.
Papst Leo X. in einem Gemälde von Raphael │ Bild: Public Domain via Wiki Commons

Cellini in der Gunst des Papstes

Papst Clement VII
Papst Clement VII. in einem Gemälde von Sebastiano del Piombo (Clement VII. ist übrigens der gleiche Herr, der im Bild zuvor links hinter Papst Leo X. steht; dort noch in der Funktion eines Kardinals und Cousins) │ Bild: Public Domain via Wiki Commons

Offensichtlich hatte der erste Mord Cellini nicht weiter traumatisiert. Nach dem Wechsel des Papstes nutze er eine günstige Gelegenheit, um den Kopf seiner Verfolgerbande zu ermorden. Normalerweise hätte er dafür vom neuen Papst eine entsprechende Bestrafung erwartet. Doch dieser gab ihm – wie sein Vorgänger auch schon – einen Freibrief. Durch diesen konnte er an der Prägung der neuen Zahlungsmittel arbeiten und weiter seiner Tätigkeit nachgehen.

Gewalt und Anerkennung seiner Arbeit wechselten sich also ab. Die Familie des Ermordeten konnte die Sache jedoch nicht ruhen lassen und forderte Vergeltung. Cellini floh von Rom nach Florenz und durfte erst durch einen weiteren päpstlichen Freibrief zurückkehren, wo er nach einem nächtlichen Überfall fast verstarb.

Und noch ein Mord

Ein dritter Mord durch Cellini folgte; dieses Mal an einem Postbeamten. Er stand mehrfach vor Gericht, wurde einmal sogar zum Tode verurteilt. Die Liste seiner Delikte wuchs: Körperverletzung, Diebstahl, als abartig angesehene sexuelle Praktiken [was aus heutiger Sicht vermutlich tatsächlich weniger abartig war, als es klingt]. Aber nicht die nachgewiesenen Straftaten, sondern ein Gerücht, brachte ihn schließlich doch noch für zwei Jahre ins Gefängnis.

Es wurde gemunkelt, er hätte beim Einschmelzen eines päpstlichen Schatzes Juwelen unterschlagen. [Nach allem, was wir bisher wissen, empfinde ich das als durchaus vorstellbar.] Im Gefängnis unternahm er dann einen Fluchtversuch und überlebte einen Giftanschlag auf ihn.

Eine Intervention vom Kardinal von Ferrara half ihm aus der Inhaftierung heraus und brachte ihn an den französischen Hof. Gelockt von versprochenen Aufträgen, breitete sich jedoch auch dort Unmut bei Cellini aus. Denn die Aufträge kamen nicht, oder aber die Bezahlung war ihm nicht angemessen genug. Er versuchte auszureisen, wurde jedoch wieder zum Hof zurückgebracht.

Cellini flieht Flucht Kupferstich
Cellinis Fluchtversuch aus der Engelsburg │ Bild: Reichsmuseum via wikimedia commons under CC0 1.0

Die Arbeit für den französischen König François I.

Das spielte sich in der Zeit um 1540 herum ab. Wieder in Fontainebleau hatte Cellini eine unfertige Saliere dabei. Diese vollendete er noch im selben Jahr für König François I. in Gold. Tatsächlich ist diese Saliere die einzige seiner Arbeiten aus wertvollen Metallen, die uns erhalten blieb und vollständig authentifiziert werden konnte.

Cellini Saliere Statue Gold
Cellinis goldene Saliere für den französischen König │ Foto: Dr. Alexey Yakovlev via flickr under CC BY-SA 2.0

Heute befindet sie sich im Kunsthistorischen Museum in Wien und kann dort bewundert werden. Und zu bewundern ist dieses Stück vor allem in seinen Details – ein überragendes Beispiel für die Goldschmiede-Kunst der Renaissance.

Cellini Portrait Stich Cellini in Frankreich
Bild: Public Domain via wikimedia commons

Der französische König gab ihm daraufhin einen Auftrag über zwölf lebensgroße silberne Statuen, die er in einem Atelier innerhalb eines kleinen Schlosses neben dem Louvre fertigen sollte.

Cellini wäre allerdings nicht Cellini, wenn er sich dort nicht mit den Hausbewohnern in die Haare bekommen hätte. Der König jedoch war von der Arbeit Cellinis begeistert, was wiederum seiner Reputation half. Dennoch schaffte er es sich auch in Paris langfristig Feinde zu machen, unter anderem einer der zahlreichen Geliebten des Königs.

Perseus mit Medusas Kopf – Cellinis Vermächtnis

1545 reiste Cellini während eines »Urlaubs« zurück nach Florenz. Der Herzog Cosimo I. de Medici nutzte die Gelegenheit und unterbreitete ihm das Angebot an einer Statue des Perseus zu arbeiten. Cellini reizte die Arbeit, gab sie ihm doch die Möglichkeit mit Meistern wie Michelangelo und Donatello direkt in Konkurrenz zu treten. Er nahm den Auftrag an – ungeachtet der Tatsache, dass er noch an den Auftrag des französischen Königs gebunden war. Der war natürlich nicht gerade erfreut über Cellinis Fortbleiben, rechnete die Statuen genau ab und verzichtete auf Cellinis Rückkehr an den Hof.

Cosimo schenkte Cellini unterdessen ein Haus in Florenz. Dort blieb er bis zu seinem Tod und arbeitete unter abenteuerlichen Bedingungen am Guss des Perseus. Diese Statue »Perseus mit dem Haupt der Medusa« wurde zu seiner bekanntesten und größten Arbeit. Doch auch hier gab es letztlich Streit ums Geld. Cellini sank daraufhin im Ansehen des Herzogs. Ungeachtet dessen stieg er in die Adelskreise auf, da die Arbeit tadellos war.

Büste in Marmor von Cellini
Cosimo I. de Medici dargestellt in einer Büste von Cellini │ Foto:
sailko via wikimedia commons under CC BY-SA 3.0
Perseus Cellinis bedeutendstes Werk
Perseus mit dem Kopf der Medusa von Cellini. Seine bekannteste Statue steht in der Loggia dei Lanzi in Florenz │ Foto: Rob Marson via flickr under CC BY 2.0
Perseus Medusa Celllini
Detailaufnahme des Perseus mit dem Kopf der Medusa. Hier ist die detailgetreue Ausarbeitung zu bewundern │ Foto: Prof. Mortel via flickr under CC BY 2.0

Cellinis Lebensabend

Die permanenten Streitigkeiten und seine Geltungssucht machten Cellini zu schaffen. Er versuchte sich über den Weg in die Geistlichkeit selbst zu helfen. Seine letzten Jahre verliefen dennoch trübe. Durch Pech mit seinen Verwaltern, wurde er in Prozesse verwickelt und arbeitete in Folge immer seltener. Schließlich fehlte es an Einnahmen.

1563 heiratete er dennoch seine Haushälterin, mit der er bereits ein uneheliches Kind hatte. Dieses verstarb noch im Kindesalter. Es folgten zwei Töchter und ein Sohn (neben zahlreichen unehelichen Kindern, die ebenfalls nahezu alle in frühen Jahren starben). Seine ehelichen Kinder überlebten ihn aber.

Die Ehe half ihm nicht dabei von den Vorwürfen der Homosexualität freigesprochen zu werden. Er sah sich immer wieder mit ihnen konfrontiert. Selbst heutige Experten auf dem Feld der Kunstgeschichte erkennen in seinen Skulpturen die Bildsprache von Homoerotik. Vier Mal wurde er wegen Sodomie angeklagt.

Cellini im Alter
Ein Stich des älteren Cellini │ Bild: Public Domain via wikimedia commons

1571 verstarb Cellini in recht ärmlichen Verhältnissen an einer Brustfellentzündung, die ihn zuvor längere Zeit begleitet hatte.

Ich bin »ein wenig« vom Thema abgekommen … zurück zu Cellini in der Form einer Teekanne

Ist doch aber interessant der kleine Umweg, oder? »The More You Know« … Ich jedenfalls hatte Freude daran, dass »Villeroy & Boch« ein ganzes Service nach dem streitlustigen Florentiner benannt hat. Mir machen Hintergrundgeschichten dieser Art Spaß.

Erschienen ist die Geschirr-Kollektion übrigens im Jahr 2000 und ist seither durchgehend im Sortiment von »Villeroy & Boch« geblieben. [Huch, das ist ja auch schon 20 Jahre her]. Man kann sie also durchaus als Erfolg beschreiben. Ursprünglich kostete die Teekanne rund 100 Euro, ist inzwischen aber auch zwischen 50 bis 80 Euro zu erwerben. Wer Glück hat, kann auch Second Hand ein Schnäppchen machen.

Jetzt, wo ich etwas mehr Hintergrund zum Namenspaten habe, mag ich meine Teekanne tatsächlich noch ein wenig mehr. Das nächste Mal, wenn ich daraus einen kräftigen Assam trinke, werde ich mit Sicherheit an Benvenuto Cellini denken (für einen leichten, oder blumigen Tee kommt sie mir plötzlich weniger passend vor). Ein großer Schluck auf die Renaissance, Cellini und dem Premium-Porzellan.

Danke, dass ihr dabei wart. Bis zum nächsten Mal!


Quellen:

Bildnachweise (falls nicht in Bildunterschrift vermerkt):
Beitragsbild / Titelbild von Kannenweise

Web:
Homepage Enzyklopädie Britannica, Artikel Benvenuto Cellini, Stand 18.04.2021
Wikipedia, Artikel Benvenuto Cellini, Stand 18.04.2021
Wikipedia, Artikel Architektur der Renaissance, Stand 18.04.2021
Wikipedia, Artikel Lisense, Stand 18.04.2021
Homepage Villeroy & Boch, Bereich FAQ, Stand 18.04.2021
Homepage Porzellino, Unterschied Porzellane, Stand 18.04.2021